Texte 2000 - 2003 (Auswahl):

Leila 2001, Little Louie Vega 2002

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Leila - brave, new & world

Im Gespräch mit Leila.
Plinkernd, tragisch, leicht und trotzdem manchmal sehr trist, verwunschen und ruff und mit viel zu viel Soul. Leila ist im Grunde so etwas wie das Londoner Pendant zu Super Collider. Groß. Immer wieder. Im Musikbusiness hat sie einen festen Platz. Sie tourte mit Björkcdddddddddsfbbbbbbfgmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmgggfmmmmmffmff

De:Bug: Ich habe dein neues Album gerade erst heute morgen erhalten...

Leila: Oh...

De:bug: Aber ich habe es bis eben dreimal nonstop durchgehört!

Leila: ... bless you, oh my god!

De:Bug: ..., war gar nicht schlimm. Es hat mich nur in eine etwas seltsame Stimmung versetzt. Die Musik ist ein bisschen, tja, ... märchenhaft, und das wird dann leicht etwas gespenstisch...

Leila: Gespenstisch!? - Das Seltsame ist: wird man älter, dann fühlt sich alles, was dich deine Gefühle erleben lassen, gespenstisch an. Weil wir soweit entfernt sein sollen von den Gefühlen. Wir betrachten alles sehr objekthaft und sophisticated. Wenn man als Kind eine Spieluhr hört, findet man das hübsch. Wird man älter, ist das plötzlich gespenstisch. Wir sind ganz schön kaputt. Wir projizieren soviel auf die Dinge.

Auf die Dinge. Leila, Musik, Tapete. Und Leilas Musik, die sicher nicht als Tapete funktioniert. Es geht eher um das Abschaben der Tapete. Gucken, was dahinter ist. Alte Tapete. Und dahinter noch ältere Tapete. Kindlicher Entdeckungsdrang. Schließlich überlagern sich abgekratzte Stellen, Muster verschmelzen. Die Zeiten vermischen sich. Malerei? - Wer kann, entdeckt eine ganz neue, andere Welt. Gespenstisch nicht als etwas Bedrohliches, sondern eher vielleicht wie in Lewis Carrolls 'Alice im Wunderland'.

Leila: Für mich ist das die Aufgabe von Musik. Es ist das, worum es mir beim Musikmachen geht. Ich habe diese - reale - Welt hier um mich herum sowieso schon. Ich will eine neue schaffen. Der gleiche Grund, warum meine Musik nicht klingt wie die Musik von Ich-weiß-nicht-wem. Ich würde nie einfach irgend jemanden kopieren. Aus Respekt. Und weil es für mich keinen Sinn machen würde: Wenn es meine Musik schon gäbe, würde ich der viel lieber zuhören, als sie nachzuspielen.

Das Angenehme an Leilas neuem Album Courtesy of Choice ist, dass die persönlichen Momente nie zum geheimen Tagebuch verkommen, sondern immer dem Hörer einen Zugang und einen Ausgang offen lassen.

Leila: Gestern wurde ich gefragt: Wo sollen die Leute denn Klassik hören!? Ich antwortete: Na, in der Fernsehwerbung natürlich! - Es ist doch egal, WO man es hört! Wer beispielsweise Pop zelebriert und nur Pop hört, weiß nicht, wo Pop herkommt und was ein Stück, wenn es außergewöhnlich ist, zu diesem Besonderen macht. Bei meinem ersten Album auf Rephlex, auf dem sich intensive instrumentelle Stücke mit 'beinahe Popsongs' abwechselten, bekam ich Tipps wie: Mach ein Album mit Instrumentals und danach eine Single mit Gesang. Verstehe ich nicht. Die Chance, die Herausforderung ist doch, beides nebeneinander zu haben. Zuhörer für beides zu begeistern.

Nicht Gesang ist langweilig, sondern die Sänger

Leila: Viele Bekannte von mir fingen an, rein elektronisch Musik zu machen, weil sie Gesang so langweilig fanden. Aber Gesang ist überhaupt nicht langweilig. Wie Gesang zur Zeit eingesetzt wird, ist langweilig. Hör' dir aktuelle Popproduktionen an. Oder Rock, aber Rock ist ja so tot, wie man nur tot sein kann, sogar toter noch als Jazz. Oder diese ganzen Jungs, die behaupten sie klängen wie die Beatles, die nicht mal einen Hauch von den Beatles haben, nicht einen Hauch der Produktion, des Umfeldes, des Gefühls. Sie denken, es gehe nur um Akkorde, Melodie, Lyrics. Dabei wird das Wesentliche vergessen. Erstaunlich, wo WIR heute stehen, und wo die POPMUSIK steht. Das einzig Bemerkenswerte derzeit ist R&B. Und das absolut Erstaunliche, dass Leute aus den unterschiedlichsten musikalischen Lagern anfangen, R&B zu lieben. Das ist es, was gute Popmusik ausmacht: It makes you change your mind!

De:bug: Irgendwann hattest du beschlossen, es selber zu versuchen...

Leila: Anfangs sicher nicht mit der Idee, jemals davon zu leben. Ich habe nie in irgendwelchen Bands gespielt oder so was. Die meiste Zeit meiner musikalischen Ausbildung hieß für mich zuhören. Ich liebe einfach Musik. Also der Punkt, an dem ich anfing, war...ich hatte Klavierunterricht. Aber ich dachte nie, dass es mein Instrument wäre. Um all das spielen zu können, was ich hörte, hätte ich fünf Hände gebraucht. Für die zweite Tour mit Björk kaufte ich mir den kleinen Yamaha Sequencer QY20. Wicked. Ich erinnere mich, mir eröffnete sich eine neue Welt. Es machte plötzlich Sinn. Ich schrieb Basslines, Strings, Beats, alles. Diese kleine Box triggerte mich. Ich begann - für mich - meine eigene Musik zu schreiben. Also investierte ich das Geld von der Tour in ein eigenes Studio.

De:bug: Du benutzt den QY als Sketchbook?

Leila: Also, ich kaufte mir gleich drei. Du kannst deine Tracks zwar im Computer speichern, aber ich mag, wie sie sind, diese kleinen Boxen... Ich habe sicher zwei bis dreihundert Tracks in denen abgespeichert. Ich habe ja keine klassische Ausbildung. Das heißt, ich kann mich nicht mit irgendwelchen Skills rausreden, mal schnell einen Rachmaninoff spielen oder so. Ich kann nichts kaschieren. Ich kann nur pur meine Idee der Welt anbieten. Und ich liebe die Technologie dafür, dass sie mir einfach die Möglichkeit bietet, das alles zu realisieren. Meine gespenstischen Instrumente.

Instrumentalmusik, die nicht Techno et al. ist, heißt ja gleich mal Filmmusik, Soundtrack. Das Filmische. Bilder, die entstehen. Leilas Musik ist anders, prosaisch. Fühlt sich wie Literatur an, erzählerisch, schwärmerisch. Wie eine gute Kurzgeschichte. Dreizehn kleine Novellen. Zärtlich, aber nie zerbrechlich. Und immer bereit für eine überraschende Konfrontation. Und Leila macht natürlich keine reine Instrumentalmusik, obwohl Gesang, Sprache oder Worte eher wie eine zusätzliche Klangfarbe wirken denn als Textbotschaft.

Leila: Also ich finde es gut, wenn man sich die Lyrics etwas erarbeiten muss. Ich glaube, Musik und Lyrics profitieren davon, wenn sie verschmelzen, gemeinsam etwas Neues kreieren. Okay, manchmal leiden die Lyrics schon, aber würde ich sie lauter machen, wäre die Balance, der Impact ruiniert. Also - na gut - ich habe ein bisschen ein schlechtes Gewissen, aber dieses Mal liegen der Platte die Liedtexte bei.

De:bug: Die Lyrics sind nicht von Dir.

Leila: Nein, das machen schon die Sänger. Naja. Also, diese etwas seltsameren Sachen von Luca, die habe ich einfach auseinandergeschnitten und neu zusammengesetzt. Und er kam an und motzt: Was ist das denn!? (Lacht.) Aber eigentlich mische ich mich da nicht ein. Ein paar Sachen auf meinen Alben finde ich schon etwas cheesy, gleichzeitig mag ich es aber auch.

De:Bug: I'll do the most to win her love ist schon toll. Daß er nicht singt I'll do everything....

Leila: Ja, der Text ist sehr, sehr süß. Sehr toll. I'll fly to the sun with icaruses wings..., das ist cute! Dieses Spiel mit Bildern, mit Metaphern. Ich mochte z.B. in den Achtzigern kaum Indie-Musik, denn da gab es keine Magie. Weder in der Musik noch im Text. Ich mag es, wenn alles ein bisschen magisch ist. Was du mit Märchen meintest. Das ist es, was Kunst und Musik so außergewöhnlich, so überraschend macht: Es kann magisch sein, wenn es will. Anders eben. Und das nicht zu versuchen, finde ich nicht nur langweilig, sondern traurig.

Andreas Reihse, De:bug 40, D 01 2001

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LITTLE LOUIE VEGA. Man at Work

Hamburg
Zwölfter Dezember. German Dance Awards. Der Hauptsponsor ist abgesprungen. Die GDA wurde dann dank rasch mobilisierter Kräfte doch noch durch- tja, -gezogen vielleicht? Auf einem Lofi-Level, das versuchte, zu behaupten, GROSS zu sein, GLAMOURÖS zu sein und INTERNATIONAL. Und daran ordentlich scheiterte. Zu den Preisen nur soviel: es schadet durchaus nicht a. auf einem Majorlabel zu sein, b. aus der deutschen Hauptstadt zu sein und c. die Promotion über Public Propaganda laufen zu lassen. Letztere übrigens die Veranstalter.

Und wo letztes Jahr Nuyorican Soul nicht kamen, fehlten jetzt Masters at Work. Immerhin konnte Little Louis Vega wenn auch nicht als DJ so doch zum überreichen zweier Awards gewonnen werden. Und stand für Gespräche bereit.

The Bronx
Little Louie Vega, ein höflicher Mitdreissiger. Puertoricaner, Native New Yorker, aufgewachsen zwischen Salsa (Onkel Hector LaVoe am Mikrophon) und gepflegtem Latinjazz (Papa Louie am Saxophon). Glücklicherweise hatte er aber auch zwei nachtaktive ältere Schwestern, die ihn mit dem Rhythmus von Loft, Paradise Garage et al. fütterten. Und ab 13 war er zwischen Rollschuh-Disco, HipHop und dem, was später House werden und heissen sollte, unterwegs:"Afrika Bambaattaa, Jazzy Jay, Afrika Islam - sie alle machten Parties in meiner Nachbarschaft. Da war ich natürlich immer draussen. Und einer meiner Freunde hatte einen älteren Bruder mit DJ Equipment, und so bin ich in die Dancemusic reingerutscht. Mit meinem Stammbaum mußte ich natürlich auch ein Instrument lernen. Von 6 bis 11 hatte ich Klavierunterricht. Daher wohl mein Gespür für Harmonien, für Melodien."

Hey Manhattan
In den 80er Jahren organisierte Vega seine ersten Parties. Wurde von New Yorker Club-Besitzern gehört, geliebt und gebucht: "Ich deejayte dann freitags so erfolgreich, dass der Samstag mit dazukam. Das ist mir öfter passiert. Mein Wochenende sah dann so aus, dass ich zweimal von 10 Uhr abends bis 5 auflegte." In der Woche jobbte er in einer DJ Promotionagentur. Und traf John "Jellybean" Benitez, damals einer der Top DJs und Produzenten, am bekanntesten vielleicht von Madonna. "Er mochte mich sofort, ich erinnerte ihn an seine eigene Geschichte: junger Hispano, in der Bronx aufgewachsen, DJ - auch wie und was ich auflegte. Jedenfalls: er nahm mich unter seine Fittiche." Und gab Little Louis Vega das Sesam-Öffne-Dich für die Türen der New Yorker Produzenten Schickeria in die Hand. Neben Jellybean waren das Shep Petibone, Bruce Forest, die Latin Rascals und Arthur Baker. Vega war von nun an täglich in DEN Studios der Stadt. Nicht etwa als Assistent, eher wie ein geheimes Aufnahmegerät: "Ich saß still da, stundenlang. Versuchte, alles zu verstehen. Ich hätte nie gewagt, zu stören. In den Pausen habe ich dann auch mal was gefragt."

"Jellybean lehrte mir das Business: du brauchst einen Anwalt, einen Manager, einen Assistenten, eine Bankverbindung, mußt Steuern bezahlen und so weiter. Ich lernte so viel von ihm. Naja, dann trennten sich unsere Wege..."

Little Louis Vega erster Release folgte 1986 - ein Remix von Information Society's Running auf dem HipHop Label Tommy Boy. "Damals mischte man die unterschiedlichsten Stile: Also ich HipHop, Reggae, Disco, Soul, die ersten Housetracks, Fusion, sogar Alternative Rock. Alles in einer Nacht, und darum ging es auch. Das habe ich bis heute in mir, Masters at Work natürlich auch: Different Flavors. Das hält die Musik interessant."

"Ich war ein sehr erfolgreicher DJ in New York, es ging damals nicht um das große Geld, aber ich spielte immer vor mindestens 2500 Leuten. Mein Publikum war ziemlich jung. Und irgendwann gab es Probleme. Die Szene wurde gewalttätig, Kämpfe, Drogen und so. Ich wollte weg. Auf eines sophisticateres Level. Wollte ein etwas älteres Publikum. Mit Barbara Tucker startete ich dann Underground Network. Und in den nächsten 5 Jahren produzierte ich Love & Happiness, Deep Inside, eigentlich alle bekannten Remixe, die Platten mit India, mit Barbara Tucker und so weiter. Und hatte eben meinen Club als Homebase für den Masters at Work - Sound. Mit diesen Nächten schuf ich diesen speziellen Vibe, diese spezielle Bewegung. Unser Publikum heute ist eine Mischung aus verschiedenen Generationen. Und wenn ich deejaye, geht auch um so was wie Geschichtsbewußtsein."

Our Time Was Coming
Mit dem aktuellen Masters at Work Album ist Little Louis Vega wieder auf dem Label angekommen, wo für ihn alles losging. Aber Our Time Is Coming ist leider, nun, schlapp. Eine glatte, unspektakuläre Produktion. American Mainstream. Man kann natürlich sagen, dass das nicht wirklich überrasche, weil es sich bereits in den letzten Masters at Work Kollaborationen mit den wahrhaft unvisionärsten (neben der überschätzten skandinavischen Szene) Jazzern around angedeutet habe: "Für ein Nuyorican Soul Demo hatten wir dem Gitarristen gesagt, spiele wie George Benson! Unser A&R meinte dann, warum wir nicht direkt Benson fragen würden. Wir waren ja auf dem gleichen Label. Es kam zu einem Treffen, und wir spielten Mr. Benson unser Stück vor." Der reagierte zwar erst irritiert, spielte dann aber begeistert auf; und die Masters at Work revanchierten sich später durch Mitarbeit auf Bensons nächsten Album. "Roy Ayers war sowieso ein Wunschkanditat für Nuyorican Soul: Wir wollten ihn, Tito Puente, India, Jocelyn Brown. Als wir dann mit Tito arbeiteten, meinte er, warum holt ihr nicht noch Dave Valentin und lasst ihn Flöte spielen. Wir dachten, ja cool, und holten gleich seine Allstars."

Das klingt zwar aufregender als Guru's Jazzmatazz, aber unaufregender als die Mp3 Library, die Apple bei iTunes mitliefert. Ist das der Versuch, einen Weg in die amerikanischen Charts zu finden? Musical Skills zu zeigen? Dem Family-Tree Respekt zu zollen?

"Skills, Respekt, schon. Aber das haben wir natürlich auch mit Nuyorican Soul getan. Die Kids lieben die Dubs, ältere Leute lieben Songs. Dieses Album ist mehr sophisticated. Aber zum Beispiel Work, das ist schon für die Clubs. Ich denke, da ist für jeden was drin. Das Album hat natürlich eher ein Bandfeeling als ein Housefeeling. Aber kein Downtempo, es ist alles Uptempo. Und es hat das, was ich 'Culture' nenne: Work ist ein Socca, Trinidad; Tribute to Fela - Afrobeat; der argentinischer Gitarrenspieler - Latin Rhythmus; dann auch R&B; das Stück mit India - vielleicht Latinsoul..."

Aber keine Angst, es kann noch viel gruseliger werden: "Was Du glatte Produktion nennst, das ist eben eine Seite von uns. Aber wirklich nur eine. Das nächste Album wird wieder ganz anders. Mehr Keyboards, Drum-Computer, vielleicht Alternative Rock Sänger, vielleicht Gitarren - wir denken zumindest an ein Elektro-Gitarren-Feeling." Our time is coming? "Genau deswegen der Titel. Jetzt bringen wir Alben raus. Für mich waren die letzen elf Jahre Lehrjahre. Wenn Du gute Sachen machen willst, heisst der Schlüssel: Preparation and Knowledge. Kenny und ich haben das Produzieren gelernt, von klein auf. Und ab jetzt fliesst unser Wissen in unsere EIGENEN Alben."

intro, D 02 2002

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